Bei einem klassischen Arbeitszeitbetrug wirkt ein Arbeitnehmer darauf hin, dass sein Arbeitgeber Arbeitsstunden zu seinen Gunsten abrechnet, die er nicht abgeleistet hat. Dadurch erhält er Lohn, der ihm nicht zusteht. Solche Handlungen sind strafbar.

Ändert sich die rechtliche Beurteilung, wenn der Arbeitnehmer von einem Vorgesetzten die „Erlaubnis“ dazu erhält?

Was war geschehen?

Horst wurde im Jahre 2010 zum Abteilungsleiter ernannt und er war ab diesem Zeitpunkt für acht Mitarbeiter zuständig. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (nachfolgend TVöD genannt) Anwendung. Vor der Ernennung zum Abteilungsleiter erhielt der Kläger eine Erschwerniszulage gem. § 19 TVöD ( für erschwerte Arbeitsbedingungen wegen großer Hitze oder besonderer Staub- und Schmutzbelastung). Im Jahre 2012 teilte die Personalreferentin seines Arbeitgebers im Beisein des technischen Abteilungsleiters Horst mit, dass aus ihrer Sicht die Voraussetzungen für die Gewährung der vorgenannten Zulage nicht mehr bestehen. Horst empfand dies als ungerecht und forderte die Weiterzahlung der Zulage. Die Personalreferentin sagte Horst, dass dieser für eine Übergangszeit sieben zusätzliche Überstunden aufschreiben solle. Dies entspräche in etwa dem Betrag, um den sich sein Gehalt nach Wegfall der Zulage verringern würde. Sie würde versuchen auf eine Höhergruppierung hinzuwirken. Damit könne dann der Wegfall der Zulage kompensiert werden.

In der Folgezeit notierte Horst dann monatlich sieben (fiktive) Überstunden. Im Jahre 2017 fand sein Arbeitgeber heraus, dass Horst Überstunden aufschrieb, die er tatsächlich nicht geleistet hatte. Der Arbeitgeber hörte daraufhin den Betriebsrat an und sprach dann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Horst verteidigte sein Handeln im Rahmen der von ihm angestrengten Kündigungsschutzklage damit, dass er von der Personalreferentin im Beisein des technischen Abteilungsleiters die Erlaubnis zu dieser Vorgehensweise bekommen habe. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Kündigung für unwirksam gehalten.

Hätten Sie Horst ebenfalls recht gegeben?

Horst hätte erkennen können, dass er unrechtmäßig handelt!

Der oben genannte Sachverhalt orientiert sich an einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 13.12.2018, Az: 2 AZR 370/18). Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidungen der vorherigen Instanzen aufgehoben und die Kündigung für wirksam gehalten. Es hat sich dabei von den folgenden Erwägungen leiten lassen:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Arbeitsverhältnis gem. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD nur aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte (sogenannte ordentliche Unkündbarkeit). Aus diesem Grund mussten die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB vorliegen, damit die Kündigung wirksam sein kann. Es musste also ein wichtiger Grund für die Kündigung gegeben und dem Arbeitgeber durfte das Abwarten einer (fiktiven) Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sein.

Das Bundesarbeitsgericht betont in diesem Zusammenhang zum wiederholten Male, dass das bewusste Anfertigen von falschen Arbeitszeitnachweisen stets ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist. Dabei spielt es dann keine Rolle, wie die Arbeitszeiterfassung von statten geht (z.B. durch Zeiterfassungssysteme oder durch das Ausfüllen von (Über-)Stundenzetteln).
Zudem stellte die „Erlaubnis“ der Vorgesetzten aus der Sicht des Bundesarbeitsgerichts keinen Rechtfertigungsgrund dar, aufgrund dessen Horst zur Erstellung von falschen Arbeitszeitnachweisen berechtigt war. Denn Horst wusste nach eigenem Bekunden, dass weder die Personalreferentin noch der technische Abteilungsleiter befugt waren Vertragsänderungen vorzunehmen. Insofern war Horst auch bewusst, dass es sich hier um eine Maßnahme handelte, die eigentlich von entsprechend vertretungsberechtigten Personen der Beklagten abgesegnet werden mussten. Aus diesem Grund konnte aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts auch dahinstehen, ob Horst tatsächlich von der Personalreferentin zu diesem Verhalten „angestiftet“ worden war. Denn Horst hätte klar sein müssen, dass diese Vorgehensweise vom Arbeitgeber nicht dauerhaft geduldet werden würde. Er hätte also zeitnah auf eine Klärung der Sachlage bei seinem Arbeitgeber drängen müssen. Zudem war das Bundesarbeitsgericht der Meinung, dass Horst als Abteilungsleiter eine gewisse Vorbildfunktion zukommt und es dem Arbeitgeber deshalb nicht zuzumuten war, ein solch „schlechtes Vorbild“ weiter zu beschäftigen. Insofern war der Arbeitgeber auch aus disziplinarischen Gründen nicht gehalten, das vorsätzliche Fehlverhalten des Klägers zu dulden.

Fazit

Ob Horst sich im vorliegenden Fall allein von seinen Gefühlen leiten ließ oder ob ihn noch andere Motive zu diesen Handlungen verleitet haben, werden wir nicht ergründen. Als ihm von der Personalreferentin ein für ihn bequemer Weg geboten wurde, um finanzielle Verluste zu vermeiden, hat er die sich ihm bietende Chance ergriffen. Ihm hätte jedoch klar sein müssen, dass seine Vorgehensweise rechtlich nicht in Ordnung war. Insbesondere die Tatsache, dass ihm bewusst war, dass die Personalreferentin und der technische Abteilungsleiter nicht befugt waren entsprechende Vertragsänderungen vorzunehmen, hätte dazu führen müssen, dass er entweder Rechtsrat einholt oder aber die Sachlage mit seinem Arbeitgeber endgültig klärt. Denn es sollte offensichtlich sein, dass das unberechtigte Aufschreiben von Überstunden nicht der richtige Weg ist um das gewünschte Gehaltsniveau beizubehalten. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht nachzuvollziehen, warum das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen sind.

Selm, den 19.03.2021
Kai Riefenstahl

Foto von Anne Nygård on Unsplash